Startseite
Autorin
Jutta Treiber

Biographie
Bücher
Lesungen
Galerie
Pressestimmen
Leserstimmen
Kontakt
Links

 

Andere Medien und Kritiker über Jutta Treiber und ihr Werk: Pressestimmen

Eva M. Kittelmann über die Zeit und Hannah
Kritik für den Schriftstellerverband
 

Jutta Treiber
DIE ZEIT UND HANNAH, Roman in drei Teilen.
Edition lex liszt, Oberwart 2006
ISBN 3 901757 50 3

Daß Jutta Treiber, die vielfache Preisträgerin, hohe literarische Kompetenz auszeichnet, ist bekannt. Sie ist eine scharfe Denkerin, eine Analystin. Selbst in der Preisgabe des Persönlichsten legt sie sich gewissermaßen freiwillig in die Pathologie. Nichts wird geschönt, nichts bleibt außen vor. Ihre Erzählweise ist trotzdem stark von Emotionen getragen, der autobiographische Charakter nicht zu übersehen. Den Zeit-Sprüngen des Werkes, d.h. des Lebens entspringt die kluge Gliederung in: Zeit.Raffer/Zeit.Schnitt/Zeit.Lupe. So wachsen unter einem bewunderungswürdigen Durchhaltevermögen in höchster Eloquenz diese mehr als 400 Seiten zu einem runden Ganzen zusammen (wer etwas davon hält: J.T. steht unterm Zeichen des Steinbocks!)
"Angespitzt wie eine neuer Bleistift", unmittelbar funktionstüchtig also springt sie in die Handlung, atemlos. Sie h a t viel zu sagen. An sich geht es um eine stinknormale "happy family": Vater Ed, Mutter Hannah, Kinder 9 und 13, Roland, Lisa. Die Mutter Hannas, ihr behinderter Bruder. Menschen wie du und ich? Hannah outet sich als Muttertier, Gutmenschin, à la longue Feministin, klarerweise, auch Dulderin, in gewisser Weise den Gestus einer antiken Medea heraufbeschwören: unter nahezu unerträglichem Schicksal immer noch die nie ganz auszulöschende Kraft, Bewußtmachung des Selbst. Wen nähme es wunder, würde sie mit all dem Gepäck an Grausamkeiten auf dem Rücken eine Hasserin auf ewig?
Verpackt ist die Geschichte zunächst im tagebuchartigen Bericht einer Family-Reise nach Ägypten; interruptiv werden die Vorgeschiche(n) eingeblendet in raffinierter episodischer Verschränkung, rasch aber von den Ausblicken auf "innere Befindlichkeiten" alle Vorhänge weggezogen, das Gewesene reflektiert, die Fäden aufgeknüpft, dem Gegenwärtigen versponnen. Detailreich, von stupender Wahrhaftigkeit..
Dem Leser stellen sich Déjà-vu-Empfindungen ein: Moment einmal, da habe ich doch genau so reagiert, nicht wahr? Viel wird erinnert: die ersten religiösen Gehversuche, Pubertät, Wohnungswechsel aller Art, erste Liebe, wo alles anders lief als erhofft, und schließlich, wie von so vielen erlebt: die qualvolle Stummheit, das Sich-total-Verschweigen in den Ehejahren, die obligate Depression im Sinne von: Ich werde aufgefressen von ihnen, so oder so. Hier steht Hannah stellvertretend für Abertausende von Frauenschicksalen. Aber sie bleibt nicht bei sich selbst stehen - geht konkret durch diese, pathetisch gesprochen "unsere" Welt-Zeit mit allen Implikationen derselben: ist haunah dran, mitten drin. Individuelles und globales Geschick in Berührung und Wechselwirkung. Man empfindet Hannah streckenweise beinahe als Anti-Heldin in der ewigen Tragik, ob das Denken die Liebe zerstöre, oder umgekehrt. Die Nerven liegen immer blank. (Hervorragend dazu die Einbandgraphik des Josef Pauschenwein: Inbild eines zerfahrenen, am Rand der Ver/Zerstörung spazierenden Herzens - dem Text kongenial!) Wahrworte springen einen immer wieder an, pag. 116 z.B. die auch für den Klappentext motivisch ausgewählte Aussage: ... Ich werde dir mein Leben erzählen, sagte sie zum Wind. Ich kann nicht mehr schweigen. Es brodelt unter der aufgebrochenen Kruste ... muß an die Oberfläche, es kann nicht mehr dunkel und still bleiben. Ich erzähle, weil ich muß." Oder, wahllos herausgegriffen, pag. 68: "Das Flechten haben wir nur als Durchgangsstadium betrachtet, wicht war der fertige Kranz ... die Kränze (aber!) haben wir aufgetürmt und uns darunter begraben ...". Fortgang und Ablauf der Handlung bleiben besser unerläutert; daß das Buch schließlich ein Hohelied der Liebe ist, sei angedeutet - Spannung bis zum Schluß! Meisterlich sind J. Treibers Sprache und Stil. Der Urwuchs ganz starker, oft lapidarer Prosa steht wie ein dichter Wald um zarte poetische Lichtungen. Stupende Wortschöpfungen wie: "Dem gehört ein Lachschrittmacher eingesetzt ...", feinanspielende Zitate, da und dort ironische Untertöne. Hingetupfte Ausmalungen, wo es ums Ambiente geht, Fetzensätze, Interpunktion bewußt verweigernd - die Quellen der J. Treiber fließen nicht, sie spritzen, sie schäumen auf, kein glatter Erzählfluß, sondern Sturm und Katarakte; Präferenzen für den inneren Monolog. Vor einer solchen Intensität des Erzählens muß man den Hut ziehen, Jutta Treiber bleibt nichts schuldig, sie geht den ganz geraden Weg, den selbst gewählten.
Ein Frauenbuch also mit allen Höhen, Tiefen, Verblendungen, Verstrickungen, Schicksalsschlägen?
J. Treiber löst sich nicht gänzlich ab von der schönen Tradition des Poetischen Realismus, aber sie versteht es, den Sprung ins Hier und Heute vom Standort der eigenen "inneren Verhältnisse" her einzuleiten. Und hat vielleicht genau damit einen der traurigsten und zugleich erhebendsten Romane geschaffen, welche die junge österreichische Literatur hat hervorbringen können. Sie steht damit auf der Höhe der klassischen Moderne. - Mein Auftrag lautete auf Abfassung einer möglichst konzisen Rezension. So schließe ich hier abrupt und platzsparend mit: Selber lesen!
Eva M. Kittelmann

 


Optimized for: 800/600
Webmaster:
N I C K  A R T